VBZV-Newsletter 25/2023

 

I. Medienpolitik

Verbreitungsverbot der Newszone-App aufgehoben – Schlichtungsstelle muss angerufen werden

Das Telemedien-App-Angebot "Newszone" des SWR darf vorerst wieder verbreitet werden. Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einem Eilverfahren entschieden und ist damit der Vorinstanz entgegengetreten. Mehrere Verlagsunternehmen für Presseerzeugnisse und ein Online-Portal hatten sich vor Gericht gegen die App gewandt und eine Untersagung der Verbreitung ihres Angebots verlangt. Das OLG hält dieses Begehren für unzulässig, da zunächst ein Schlichtungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen.

Mit der App Newszone können auf Smartphones und anderen onlinefähigen Mobilgeräten abgestimmte Nachrichteninhalte aus einem von der Beklagten – einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt – betriebenen Internetauftritt abgerufen werden. Die Klägerinnen rügen, dass die App ein eigenständiges und nicht nach § 32 MStV genehmigtes Telemedienangebot der Beklagten darstelle. Darüber hinaus sei die App hinsichtlich ihrer nichtsendungsbezogenen Inhalte presseähnlich und greife daher in wettbewerbswidriger Weise in den ihnen als Presseorgane vorbehaltenen Bereich ein.

Das Landgericht Stuttgart hatte mit Urteil vom 21.10.2022 dem Verfügungsantrag der Klägerinnen zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots stattgegeben. Hiergegen wehrt sich die Beklagte mit ihrer Berufung vor dem OLG Stuttgart. Sie stellt die Genehmigungsbedürftigkeit und die Presseähnlichkeit ihres Angebots in Abrede. In erster Linie stützt sie sich jedoch darauf, dass vor Durchführung eines Gerichtsverfahrens ein Schlichtungsverfahren gemäß § 30 Abs. 7 S. 6 MStV hätte durchgeführt werden müssen, nachdem von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet und zwischen dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der ARD eine entsprechende Schlichtungsvereinbarung geschlossen worden ist.

Das OLG hat sich jetzt dieser Auffassung der Beklagten angeschlossen und die vom LG Stuttgart erlassene einstweilige Verfügung wieder aufgehoben. Das Begehren der Klägerinnen sei derzeit unzulässig. Anders als zuvor das LG erkenne der Senat im Fehlen eines vorab durchgeführten Schlichtungsverfahrens ein Prozesshindernis, das der Zulässigkeit des Verfügungsantrags zur Unterlassung der beanstandeten Verbreitung des Telemedien-App-Angebots Newszone entgegenstehe.

Jedenfalls nach der – hier unstreitig erfolgten – Einrichtung einer Schlichtungsstelle und dem Abschluss einer entsprechenden Schlichtungsvereinbarung bestehe ein Schlichtungszwang. Neben dem sachlichen sei auch der persönliche Anwendungsbereich der Schlichtungsvereinbarung eröffnet. Alle Klägerinnen seien entweder über eine gestufte Mitgliedschaft im BDZV oder wegen gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen an die Schlichtungsvereinbarung gebunden, die Beklagte als eine der ARD zugehörige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Die Anrufung der staatlichen Gerichte sei so lange ausgeschlossen, bis die vertraglich bestimmte Schlichtungsstelle den Versuch unternommen habe, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen. Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.

(Quelle: rswbeck.de, 28.06.2023)

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Portal des Bundesgesundheitsministeriums nicht zulässig – „gesund.bund.de“ verstößt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse

Mit den auf ihrem nationalen Gesundheitsportal zur Verfügung gestellten Artikeln zu medizinischen Themen überschreitet die Bundesregierung die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns. Das hat das Landgericht Bonn am 28. Juni 2023 entschieden und damit einer Klage des Wort & Bild Verlags stattgegeben. Die Richter sehen eine Verletzung der Pressefreiheit aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse.

Seit September 2020 gibt es beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine eigens eingerichtete Redaktion für das Portal gesund.bund.de, das zahlreiche pressemäßig aufbereitete Artikel in den Rubriken „Krankheiten“ und „gesund leben“ sowie „Pflege“ und „Gesundheit Digital“ enthält. Das Ministerium betreibt damit ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen. Das Gesundheitsportal tritt, wie nun von den Richtern bestätigt wurde, in unzulässiger Weise in direkte Konkurrenz zu vergleichbaren Angeboten der Presse wie etwa das Angebot apotheken-umschau.de des Klage führenden Wort & Bild Verlags.

Bereits im Februar 2021 hatte der Wort & Bild Verlag beim Landgericht Bonn Klage gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, eingereicht und forderte die Untersagung des staatlichen Gesundheitsportals gesund.bund.de, da es aufgrund der journalistisch-redaktionellen und pressemäßigen Berichterstattung zu allgemeinen medizinischen Themen ohne konkreten Anlass (bspw. aufgrund einer Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung) gegen das Gebot der Staatsfreiheit der Presse verstößt und damit die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzt. Aus dem Aufgabenbereich des Bundesgesundheitsministeriums und auch aus der eigens eingeführten Regelung in § 395 SGB V folge kein Recht, mit einem Presseangebot in Wettbewerb zu treten, zumal es zahlreiche wissenschaftlich fundierte und evidenzbasierte Gesundheitsinformationen aus der privatwirtschaftlichen Gesundheitspresse und anderen politisch unabhängigen Institutionen gibt.

Unterstützung erhielt der Wort & Bild Verlag dabei vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) – an dessen Stelle im April 2022 der MVFP getreten ist – sowie unserem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Sie hatten in einer gemeinsamen Stellungnahme im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bereits im Januar 2021 auf die Verfassungswidrigkeit der Regelungen zum Nationalen Gesundheitsportal im SGB V hingewiesen, die dennoch unverändert eingeführt wurden.

Eine Kooperation mit Google, die von verschiedenen Seiten juristisch angegriffen worden war, wurde bereits  im Jahr 2021 beendet.

(Quelle: DAZ, 28.06.2023; ad-hoc-news.de, 28.06.02023)

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„Der European Media Freedom Act muss seinem Namen gerecht werden“ – Offener Brief von 400 Verlagen, Pressetiteln und Verbänden aus ganz Europa an die EU-Gesetzgeber

Mehr als 400 Verlage, Zeitungen, Zeitschriften und Verbände, darunter unser Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP), haben einen offenen Brief an die EU-Gesetzgeber gerichtet, um auf ihre Bedenken gegenüber dem Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) hinzuweisen.

„Als Presseverlage setzen wir uns unmissverständlich für den Schutz der Medienfreiheit und der europäischen Werte ein, die im Mittelpunkt unserer Tätigkeit stehen“, heißt es im Brief. „Dennoch möchten wir im Hinblick auf die bevorstehende Festlegung der jeweiligen Verhandlungspositionen im Namen der Presseverleger auf noch bestehende, ernsthafte Bedenken hinweisen.“ Nach Auffassung der Unterzeichner sind mehrere Bestimmungen des EMFA kontraproduktiv für den Schutz der Pressefreiheit und missachten einige bewährte nationale Rahmenbedingungen und verfassungsrechtlich geschützte Verfahrensweisen. „Medienfreiheit und Pluralismus werden nicht dadurch erreicht, dass die Medienregulierung europaweit harmonisiert und in funktionierende und seit langem etablierte rechtliche Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten eingegriffen wird.“

Der Rat der Europäischen Union hatte sich zuvor am 21.06.2023 zum europäischen Medienfreiheitsgesetz geeinigt. Wenn auch insbesondere durch den Einsatz Deutschlands einige Fortschritte erzielt wurden, haben die Verlegerverbände bereits in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass wesentliche Probleme des Vorschlags der Europäischen Kommission noch ungelöst sind. Der Vorschlag weist aus Sicht von BDZV und MVFP weitreichende Mängel auf und droht funktionierende Medienordnungen in den Mitgliedsstaaten zu untergraben.

„Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das verteidigt werden muss“, sagten die Verbände dazu. „Das Europäische Medienfreiheitsgesetz darf daher nicht dazu führen, dass bestehende Rechte und Freiheiten der Medien in Deutschland ausgehebelt werden“, hieß es weiter. So solle insbesondere davon abgesehen werden, in die interne Funktionsweise und Organisation von Medienunternehmen einzugreifen. Auch in Bezug auf die geplante europäische Medienaufsicht, dem sog. Gremium für Mediendienste seien weitere Diskussionen notwendig. „Die Medienaufsicht muss staats- beziehungsweise unionsfern ausgestaltet sein. In Anbetracht der wichtigen Rolle, die die Kommission im zukünftigen Gremium übernehmen soll, ist dies bislang noch nicht gewährleistet“, führten die Verbände dazu aus. Eine starke Position zum Schutz der Pressefreiheit sei nun im Europäischen Parlament nötig, um die bestehenden Mängel des Gesetzesvorschlags in den Trilogverhandlungen zu lösen.

(Quelle: BDZV, MVFP, PM 27.06.2023 bzw. PM 21.06.2023)

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Data Act behindert Unternehmen und schafft keine Rechtssicherheit
vbw: „EU verfehlt bei der Umsetzung ihr Ziel“

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), der auch unser Verband angehört, kritisiert die Verständigung von EU-Parlament und -Mitgliedsstaaten über den sogenannten Data Act. „Die EU hat sich mit dem Data Act zum Ziel gesetzt, eine bessere Nutzung von Daten zu ermöglichen, Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Hoheit über ihre eigenen Daten zu geben und die Vormacht US-amerikanischer Technologiekonzerne einzudämmen. Aber mit der Umsetzung verfehlt die EU dieses Ziel. In dieser Form behindert der Data Act die Unternehmen eher im der Datennutzung und gefährdet so die Wettbewerbsfähigkeit. Damit gerät Europa gegenüber den USA oder Asien weiter ins Hintertreffen“, erklärt vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Im Rahmen des Data Acts sollen Daten, die beispielsweise von Autos, vernetzten Haushaltsgeräten oder Industrieanlagen erhoben werden, besser genutzt werden, indem Regeln für den Austausch dieser Daten festgeschrieben werden. „Wir halten es generell für fragwürdig, in das Verhältnis zwischen Unternehmen hineinzuregieren. Für den Datenaustausch sind vertragliche Vereinbarungen das angemessenere Mittel. Zudem werden bestehende Probleme etwa bei der Anwendung des Datenschutzrechts nicht gelöst, sondern in die neue Regelung übernommen“, stellt Brossardt klar.

Zentral bleibt aus Sicht der vbw auch der zuverlässige Schutz von Geschäftsgeheimnissen. „Hier wurde zwar nachgebessert, aber nicht entschlossen genug. Viele inhaltliche Aspekte des Gesetzes, insbesondere über den Umfang der Datenbereitstellungspflicht, bleiben zudem unscharf. Damit schafft die EU keine Rechtssicherheit für die Unternehmen“, so Brossardt.

(Quelle: vbw, PM 28.06.2023)

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II. Aus den Verlagen

„Welt“ startet News Plugin für ChatGPT

Der Springer-Titel „Welt“ stellt ab sofort ein News Plugin für den Chatbot ChatGPT zur Verfügung, das über den Plugin-Store von OpenAI abrufbar ist. Nutzerinnen und Nutzer können damit die neuesten Nachrichten von „Welt“ direkt über den Chatbot abrufen.

Der Chatbot basiere laut Mitteilung auf der neuesten Technologie von Open AI und bietet den Nutzern einen „einfachen und intuitiven Weg“, auf die neuesten Nachrichten von „Welt“ zuzugreifen und sie nach Ressorts und nach Premium oder Nicht-Premium-Inhalten zu sortieren.

(Quelle: ASV, PM 26.06.2023)

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III. Nachhaltigkeit

AGRAPA: Verwertungsquote für grafisches Altpapier 2022 erneut erreicht – Ziel eines vollständigen Verzichts auf mineralölhaltige Farbe wird bis 2028 erreicht

Beim jährlichen Treffen der Arbeitsgemeinschaft Graphische Papiere (AGRAPA) hat der Vorsitzende Volker Hotop (Frankfurter Societäts-Druckerei) den Bericht für das Jahr 2022 vorgelegt und aufgezeigt, dass der Zusammenschluss der Verbände entlang der grafischen Papierkette die Vorgaben ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung erneut erreicht hat. Demnach ist die Verwertungsquote für grafisches Altpapier im vergangenen Jahr mit 84,3 Prozent erfreulich hoch.

Im Mittelpunkt des Treffens, bei dem auch externe Teilnehmende aus dem Bundesumweltministerium, dem Umweltbundesamt und dem Bundeswirtschaftsministerium anwesend waren, stand außerdem die aktuelle Erweiterung der Selbstverpflichtung, mit der sich die Branche freiwillig zum schrittweisen Verzicht auf mineralölhaltige Druckfarben bekennt.

Der AGRAPA-Vorsitzende Hotop berichtete, dass Verlage bereits damit begonnen haben, mineralölfreie Farben beizumischen, um das Zwischenziel einer Reduzierung der Ölbeimischungen um 50 Prozent bis 2025 und einen vollständigen Verzicht bis 2028 erreichen zu können.

Almuth Reichardt, die Vertreterin des Umweltbundesamtes, begrüßte es ausdrücklich, dass die Bemühungen der Zeitungsdruckereien bereits jetzt zu erkennen seien und hält die von der AGRAPA vorgeschlagene Dokumentation der Umsetzung in den Jahresberichten der kommenden Jahre für gut geeignet.

Im April hatten Vertreter der Papier- und Verlagswirtschaft der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Dr. Bettina Hoffmann, die Fortschreibung und Erweiterung der seit 1994 bestehenden Selbstverpflichtungserklärung übergeben.

(Quelle: bdzv.de, 27.06.2023)

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